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"Gebt ihr ihnen zu essen" e.V. und "IBO"

 
  
 
 
 
 

 
 
Bericht zum Jahr 2015

 


Bei der Rückschau auf das vergangene Jahr ist mir erst so richtig bewusst geworden, wie nahe wir 2015 am wirtschaftlichen Ruin vorbeigeschrammt sind. Der negativen Einflussfaktoren gab es viele und ohne die Unterstützung durch die Mitglieder des Vereins und die Förderer wären wir sicher nicht durchgekommen.
2015-012015-022015-03Dabei hatte zunächst alles noch recht gut ausgesehen. Bei der – vor allem von unserem Vermieter angestrebten – Übersiedlung in das neue, wesentlich geräumigere Lokal im Dezember 2014 hatten wir in der damit möglichen Ausweitung unseres Warenangebotes Chancen auf mehr Umsatz und – trotz höherer Miet- und Energiekosten – auch mehr Ertrag gesehen. Das sollte uns in die Lage versetzen, deutlich mehr als bisher zur Finanzierung unseres  Projekts beizutragen. Durch unsere bereits frühzeitig eingeführte und bestens funktionierende Kassenorganisation mit Barcode und Scanner haben wir uns auch gut gerüstet gesehen, um auf die laufenden, inflationsbedingten Erhöhungen der Einstandspreise sofort reagieren zu können. Doch all zu bald wurden wir eines Schlechteren belehrt...
Genau dann, als ich zur Abholung meines neuen Reisepasses Ende Februar – wegen der dramatischen Entwicklung im Lande mit extrem mulmigem Gefühl im Bauch – gezwungen war, erneut nach Berlin zu reisen, sind die inflationsbedingten Teuerungen mit einer solchen Vehemenz über uns hereingebrochen, dass Larisa und ihre Mitarbeiterinnen den Überblick verloren haben und einige, leider kostspielige Fehler passiert sind. Einerseits wurden sie von betrügerischen Lieferanten „über den Tisch gezogen“ und andererseits haben sie es in dem Chaos nicht geschafft, die Preise laufend nach zu regeln. Darüber hinaus gab es – offensichtlich bewusst von korrupten Politikern zur eigenen Bereicherung gesteuert – eine bald darauf wieder zurückgenommene Teuerungsspitze die bei uns dazu geführt hat, dass wir erheblich teurer eingekaufte Waren nur noch mit Verlust weiter verkaufen konnten. Eine andere, von uns zunächst völlig unterschätzte Verlustquelle waren erhebliche Ladendiebstähle, wie sie im ursprünglichen Geschäftslokal nicht möglich gewesen wären. Das neue Lokal hingegen war und ist leider sehr unübersichtlich. Deshalb habe ich sehr bald 4 Kameras und bei der Kassa einen Monitor installiert wodurch wir die Verluste aus diesem Titel weitgehend reduzieren konnten. Einen weiteren Verlustbringer konnten wir nur langsam loswerden, unseren ursprünglich so ertragreichen Geschäftszweig der Schweinemast und den Verkauf der Schlachtprodukte. Da die Menschen sich diesen „Luxus“ kaum noch leisten konnten bzw. können mussten wir die Tiere über den richtigen Schlachtzeitpunkt hinaus teuer weiterfüttern. Erst zu den Weihnachts-Feiertagen haben wir die letzten Tiere schlachten und das Fleisch, die Wurst verkaufen können.
Insgesamt ist unser Warenumschlag im Vergleich zu der Zeit vor der großen Krise sowohl von der Breite des Sortiments als auch vom Volumen her kräftig geschrumpft, denn die Menschen hier müssen ihre Grivna und Kopeken dreimal umdrehen und die Russischen Touristen, die vorher erhebliche Umsätze gebracht haben bleiben derzeit völlig aus. Nicht genug damit. Anfang Juli mussten wir einem „Hau-Ruck“-Gesetz entsprechend, quasi „über Nacht“ eine teure Registrierkassenlösung kaufen bzw. installieren was wir aus eigener Kraft nicht geschafft hätten und andere Geschäfte auch offenbar nicht geschafft haben. Denn einige Geschäfte hier in Yasinja haben mittlerweile bereits dichtgemacht.
2015-05Wegen des weiterhin andauernden Kriegszustandes und der daraus resultierenden wirtschaftlichen Krise herrschten und herrschen weiterhin katastrophale Zustände. Die Lebenshaltungskosten befinden sich schon beinahe auf westeuropäischem Niveau die Löhne aber sind kaum höher als vor 10 Jahren. Wenn ich vergleiche, was ein Arbeiter, der hier 1500 Grivna im Monat verdient und ein Westeuropäer, der 1500 Euro als Gehalt ausgezahlt bekommt, dafür kaufen können, dann kommen mir die Tränen:  Kostet in Westeuropa 1Kg Schweinsschnitzel maximal 10 Euro so sind es hier bereits 100 Grivna, statt ca. 3 Euro für 1 Kg Brot hier ca. 9 Grivna, oder statt ca. 4 Euro für 10 Freilandeier hier 4 Grivna für ein einziges Ei. Rentner und Sozialfälle haben noch weniger zur Verfügung. Einfach verrückt was sich da abspielt und dazu sind ab 1. Januar 2016 verschiedene Steuern noch einmal heraufgesetzt worden. Zwischen 40% bis 100 % – je nach Ware. Ich weiß nicht, wo das noch hinführen soll...
Es ist schon jetzt so, dass wir mitunter an ganz besonders Bedürftige das eine oder andere Lebensmittel gemäß dem Motto des Vereins „gebt Ihr ihnen zu essen“ gratis oder stark verbilligt abgeben. Natürlich müssen wir dabei sehr vorsichtig sein, damit wir nicht ins Gerede kommen und plötzlich alle Kunden dastehen und etwas gratis verlangen. Unsere Spannen sind ohnehin relativ niedrig.
Als ob das alles nicht schon Herausforderung genug wäre, haben Ende September unsere Waschmaschine und die elektrische Heizpatrone unseres Boilers aufgrund von Überspannungsspitzen im Netz gleichzeitig den Geist aufgegeben, was kostspielige Neuanschaffungen zur Folge hatte.
Ende November erreichte uns dann ein dringender Hilferuf: die Mutter von Oxana (das Mädchen, das wir 2011 vor ihrem Vater, der sie mit dem Umbringen bedroht hatte) musste dringend operiert werden und die Tochter hat uns händeringend gebeten, ihr das Geld (1500 Euro) dafür vorzustrecken. Das hätten wir zu diesem Zeitpunkt nicht aus eigener Kraft gekonnt aber Werner Killmeyer hat den Betrag vom Vereinskonto bereitgestellt. Die Operation war Gott Lob erfolgreich und Oxana hat versprochen, den Betrag im März zurück zu zahlen.
Bis jetzt ist in meinem Bericht der Bau noch gar nicht vorgekommen, denn zu unser aller Leidwesen war es 2015 einfach nicht möglich, die Arbeiten daran weiterzuführen. Dabei brennt es mir jedes mal in der Seele wenn ich aus dem Haus trete und mein Blick notgedrungen auf den seit dem Herbst 2014 „wintersicher verpackten“ Rohbau fällt. Dann tröstet mich manchmal ein Satz aus einem Mail von Pater Norbert Stigler, der unser Projekt immer wieder  großzügig unterstützt: „Die großen Werke Gottes kämpfen alle mit Schwierigkeiten, das läutert die Handelnden und sie setzen sich nur sehr langsam durch“. Fürwahr, ich bzw. wir kämpfen wirklich mit großen Schwierigkeiten aber ich lasse mich dadurch in meinem Gottvertrauen nicht erschüttern. Alles hat irgendwo seinen tieferen Sinn. Ich muss nicht immer auf alles eine Antwort haben oder finden. Wie heißt es so schön „Glaube ist ein Hoffen auf etwas das man nicht sieht, wovon man aber dennoch weiß, dass es immer zum rechten Zeitpunkt eintritt“.
Schon 2014 war es extrem schwer gewesen, überhaupt Arbeiter zu finden weil die meisten Männer im arbeitsfähigen Alter entweder als Soldaten eingezogen waren oder sich versteckten, um nicht eingezogen zu werden. Trotzdem war es uns dann doch noch gelungen, die Decke des Erdgeschosses fertig zu stellen. Aber meine, noch zu Anfang 2015 bestehende Hoffnung, ungarischstämmige Arbeiter, die aufgrund ihrer Doppelstaatsbürgerschaft nicht eingezogen werden können, einzustellen hat sich zerschlagen, weil die mir bekannten Arbeiter wegen der extrem starken Inflation zum Arbeiten ins Ausland gegangen sind.
Angesichts dieser Umstände haben Larisa und ich gemeinsam mit Werner Killmeyer die Situation analysiert um festzustellen was wir trotz der äußerst widrigen Umstände tun könnten um den Bau doch in diesem Jahr noch entscheidend voranzubringen. Dabei ist folgender Plan entstanden:
2015-07Statt – wie ursprünglich gedacht – mit der 2-jährigen Ausbildung der 16-jährigen Waisenhausabgänger erst nach Fertigstellung des Rohbaus zu beginnen holen wir die ersten vier gleich nach Ende ihres letzten Schuljahres Anfang Juni zu uns und starten damit unser eigentliches Projekt. Drei von ihnen, Micheil Boitschuk, Ivan Mandrela und Rostik Bronturjuk waren schon bei uns auf der Baustelle und wollten am liebsten gleich hierbleiben. Einen vierten werde ich in den kommenden Wochen auswählen.
Damit die Jugendlichen sich bei uns von Anfang an wie in einer Familie angenommen und geborgen fühlen, wollen wir als Start gemeinsam mit ihnen 2 von den Räumen im Erdgeschoß-Rohbau für sie so ausgestalten und einrichten, dass sie – auch später im Winter – gut darin wohnen können. Die dafür nötige Ausstattung mit einfachen aber durchaus zweckmäßigen Betten, Matratzen, Bettzeug und -wäsche sowie Tischen und Stühlen ist unter Nutzung günstiger Angebote von z.B. IKEA um wirklich sehr wenig Geld möglich.
Als ein durch diese Arbeiten hoffentlich bereits gut  eingespieltes und zusammengewachsenes Team sollte es in der Folge und möglicherweise auch schon parallel – einigermaßen vernünftiges Wetter und ausreichende  finanzielle Mittel vorausgesetzt – gelingen, den Rohbau zügig voran zu bringen bzw. fertig zu stellen.
Weitgehend unabhängig vom Grad der Fertigstellung des gesamten Rohbaus können auf jeden Fall während der Wintermonate Innenarbeiten im Erdgeschoß durchgeführt werden. 
Was die anderen Voraussetzungen für das Durchstarten am Bau anlangt, so ist, abgesehen von Kleinigkeiten und Zement, alles an Materialien, Maschinen, Werkzeugen und Geräten vorhanden um sofort loslegen zu können. Dank der schon im Vorjahr gefundenen Möglichkeit, die Unterstützungsgelder des Vereins in US-Dollar hierher zu transferieren ist auch der Zement kurzfristig und preiswert beschaffbar.
Als eine weitere, wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Bausaison bin ich froh sagen zu können, dass ich nach meinem Herzinfarkt im Herbst 2013 – Gott Lob – wieder so weit fit bin, sodass ich mir durchaus zutraue, da und dort selbst mit anzupacken wenn es nötig sein sollte und vor allem alles so zu organisieren, dass die Arbeiten zügig vorangehen.
2015-092015-11Das zurückliegende Jahr konnte ich – allen Problemen und Schwierigkeiten zum Trotz – gut zur eigenen Genesung nutzen und habe als Hausmann meine Frau bei der Hausarbeit und bei der Erziehung unserer Tochter unterstützt, da sie sich vorrangig um unser Geschäft kümmern muss. Sie hat es wegen der sich ständig ändernden Lage nicht leicht, aber es ist gut dass wir das Geschäft haben, denn schließlich leben wir und unsere Mitarbeiter davon. Umso mehr erfüllt es mich mit Freude wenn ich sie unterstützen kann. Es ist aber nicht so, dass ich die Zeit die ich mit unserer Tochter verbringe als Arbeit ansehe. Im Gegenteil, es macht Spaß ihr Vieles beizubringen und zu sehen wie sie sich dabei entwickelt. Sie ist äußerst aufmerksam und schaut sich vieles ab. Zum Beispiel räumt sie selber ihr schmutziges Geschirr ins Spülbecken. Auch will sie selber ihr Bett machen oder Staubsaugen. Jetzt ist gerade Winter und wenn es mal nicht so kalt ist sind wir draußen. Der Schnee ist etwas ganz Besonderes für sie und sie kann gar nicht genug darin herumtoben. Sie spielt gerne mit unserer Katze, die sich eine Menge fast erdrückender Kinderliebe gefallen lassen muss. Was Larisa und mir auch sehr gefällt ist, dass sie gerne alles teilt. Mal sehn ob das auch weiterhin so bleibt. Jedenfalls ist die Zeit, die ich mit Sophia verbringe ein großes Geschenk das mich erfüllt und mir Kraft spendet, Kraft für das Kommende...
2015-13Eine ganz andere „Kraftquelle“ konnte ich für unseren alten Kleinbus erschließen. Vor dem Hintergrund, dass auch die Kraftstoffpreise enorm gestiegen sind (für das Geld mit dem ich 2007 meinen Kleinbus voll tanken konnte bekomme ich heute gerade mal 2 Liter Diesel) habe ich nach einer Alternative gesucht um meine Kosten zu senken. Mit etwas Chemie- bzw. Elektrokenntnissen und einer Anleitung aus dem Internet habe ich mir für meinen Bus einen Braungas-Generator gebaut der auf 12 Volt läuft. Damit ist  nicht nur den Verbrauch von ca. 10 Liter Diesel auf  5,2 Liter gesunken sondern der Motor läuft wesentlich ruhiger und hat sogar noch mehr Anzugskraft, womit ich zunächst gar nicht gerechnet hatte. Motiviert durch diesen Erfolg habe ich bereits den Plan einer Heizungsanlage auf dieser Basis entwickelt und es juckt mich in den Fingern, diesen Plan möglichst bald zu realisieren. Not macht eben erfinderisch und was tut man nicht alles um irgendwie über die Runden zu kommen.
Ich hoffe, dass ich Euch mit diesem Bericht so ins Bild setzen konnte, dass Ihr sowohl unsere Situation verstehen als auch weiterhin daran glauben könnt, dass wir mit der Verwirklichung unseres Projektes einen wichtigen Beitrag für jugendliche Waisen in der Ukraine leisten.
Betet für uns, dass 2016 das Jahr wird, wo es uns gelingt mit unserem Projekt einen entscheidenden Schritt nach vorne zu machen.
Liebe Grüße Euer Uwe
Im Namen des Vereins danken:
Pater Ludger Werner SM     Werner Killmeyer
Yasinja im März 2016

 

 

 

 


 

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